Eine Fotoserie von Oliver Ressler
2019–2023
New Ruins, New Intransigence (Neue Ruinen, neue Unnachgiebigkeit) ist eine Serie, die fotografische Arbeiten zusammenführt, die versuchen, die globale Umweltkatastrophe zu erzählen. Mehrere der Arbeiten verwenden Luftaufnahmen von Oberflächen wie Permafrostboden, Meereis, Braunkohletagebaue, Wälder, einer Ölpest an einem Sandstrand oder Wolken. In die fotografischen Bilder sind kurze Texte eingewoben, die die zerstörerischen Folgen wirtschaftlicher Aktivität offenbaren. So zeigt beispielsweise eine Fotografie die riesigen Risse im auftauenden Permafrostboden, die durch die globale Erwärmung entstanden sind, so angeordnet, dass sie den Text „Arctic permafrost is less permanent than its name suggests” (Arktischer Permafrost ist weniger dauerhaft, als sein Name vermuten lässt) bilden, der direkt auf die Drohnenaufnahme des Permafrostbodens geschrieben wurde.

Ameli M. Klein beschreibt es so: „Obwohl Ressler bewusst Luftaufnahmen von ‚natürlichen Oberflächen‘ wie den treibenden Eisplatten in Every round-trip ticket on flights from New York to London costs the Arctic three more square meters of ice und die begrünten (ehemaligen) Permafrostböden in Arctic permafrost is less permanent than its name suggests verwendet, evoziert seine Arbeit niemals romantisierte Vorstellungen von Natur als etwas, das einst unberührt war, nun aber durch die vom Menschen verursachte Notlage zerstört wurde. Ressler achtet darauf, jegliche Form der fotografischen Ästhetisierung zu vermeiden, die desolate Landschaften ‚einfängt‘.“[i] Die Autorin fährt fort: „Die Verwendung einer abstrakten Bildsprache in Resslers Fotografien, die oft durch hohe Blickwinkel und das Fehlen jeglicher Horizontlinie, an der sich der Blick orientieren könnte, geprägt ist, ruft ein Gefühl der Unordnung hervor. Die flächenhafte, frontale Ansicht der Erdoberfläche dient Ressler als Hintergrund für seine Aussagen und gleichzeitig als Subjekt und Objekt seiner Untersuchung. Das Bemühen, durch künstlerische Arbeit Affekte hervorzurufen – außerhalb einer vertrauten diskursspezifischen Echokammer zu kommunizieren – steht immer in Spannung zur Kritik an Ästhetisierung und Vereinfachung.“

Die Textur der in den Hintergrund eingewebten kurzen Texte kann recht komplex sein. Aus der Ferne sehen die Buchstaben, aus denen der Text „Property Will Cost Us the Earth“ besteht, wie unregelmäßiges Grau aus. Bei näherer Betrachtung werden Zeichnungen von Tieren sichtbar. Die Buchstaben selbst bestehen aus Strichzeichnungen von Hunderten bedrohter Wildtierarten. Die abgebildeten Säugetiere, Vögel, Fische, Amphibien, Reptilien und Insekten sind alle vom Aussterben bedroht: Sie stehen auf der Roten Liste der IUCN, die 38.500 vom Aussterben bedrohte Arten umfasst. Die Darstellung legt eine grausame Wahrheit offen. Die Menschheit hat bereits eine Phase erreicht, die Wissenschaftler*innen als das sechste Massenaussterben bezeichnen. Tiere und Pflanzen sterben so schnell aus wie seit dem Aussterben der Dinosaurier vor 65 Millionen Jahren nicht mehr. Die Zeichnungen zeugen von der Vielfalt des Lebens, das bereits gefährdet ist und bald in katastrophaler Gefahr sein wird, wenn wir das Kapital weiter wie bisher walten lassen.

Die visuelle Strategie von Dog Days Bite Back (2023) fügt noch eine weitere Wendung hinzu: „Die Hundstage des Sommers bellen nicht nur, sie beißen auch“, erklärte UN-Generalsekretär António Guterres 2023 mit Blick auf den heißesten Sommer seit Beginn der Wetteraufzeichnungen. In Anlehnung an Blockbuster-Filmplakate sehen wir einen Hund, der aus einer brennenden, verwüsteten Landschaft auftaucht und angreift. Der Angriff richtet sich gegen uns, die Betrachter*innen. Das Bild kämpft um unsere Aufmerksamkeit für den dringend notwendigen sozialen, ökologischen und politischen Wandel.

Alle Fotografien von New Ruins, New Intransigence haben eine fesselnde Dringlichkeit. Sie übernehmen die Bildsprache des Protests und versuchen gleichzeitig, diesen zu verstärken, um zu Werkzeugen für das Handeln zu werden. Die Arbeiten sind direkt, als würde die Erde selbst zu uns sagen: HANDELT SELBST. WARTET NICHT AUF REGIERUNGEN, DIE VORGEBEN, IN EUREM NAMEN ZU HANDELN.

Einige Fotografien wurden als großformatige Plakate im öffentlichen Raum präsentiert, eine wurde als Aufkleber für eine Kampagne zur Reduzierung des Flugverkehrs verwendet. Viele der Plakate tauchten bei Demonstrationen auf, beispielsweise bei der dreitägigen Klimademonstration „The Big One“ im April 2023 in London.
[i] Ameli M. Klein, „Property Will Cost Us the Earth“, in: „Oliver Ressler. Barricading the Ice Sheets“, Corina Apostol, Marius Babias, Reinhard Braun, Pablo DeSoto, Gabriela Salgado, Leila Topić (Hrsg.), Köln: Verlag der Buchhandlung Walther und Franz König, 2023, S. 213.
















