Nachhaltige Propaganda

Ein Projekt von Oliver Ressler

Nürnberger Kunstverein, Nuremberg 20.5. – 11.6.2000
Künstlerhaus Bethanien, Berlin, 28.7. – 13.8.2000
Ausstellungsraum Konstantin Adamopoulos & mak – Museum für Angewandte Kunst/digital craft, Frankfurt/Main, 16.8. – 27.8.2000
Kunstbüro 1060, Vienna, 6. – 24.9.2000

“Sustainable Propaganda” (solo show), Künstlerhaus Bethanien, Berlin, 2000
“Sustainable Propaganda” (solo show), Künstlerhaus Bethanien, Berlin, 2000

Das Projekt “Nachhaltige Propaganda” setzt sich mit “Nachhaltigem Wirtschaften” auseinander, dem Themenschwerpunkt der Weltausstellung in Hannover (1. Juni bis 31. Oktober 2000). Unter dem Motto “Mensch – Natur – Technik” propagiert die Expo 2000, dass die drängenden Umwelt-, Entwicklungs- und Bevölkerungsprobleme mit Technik zu lösen wären. Wissenschaft und Technik werden dabei als “Verursacher” der ökologischen Krise zwar noch genannt, gleichzeitig jedoch als Teil der Lösung betrachtet.

“Sustainable Propaganda” (solo show), Künstlerhaus Bethanien, Berlin, 2000

Spätestens seit der Rio-Konferenz 1992 artikuliert sich die ökologische Frage fast ausschließlich in jenem Begriffsinventarium, welches die weltweite Debatte um nachhaltige Entwicklung vorgibt. Der Diskurs bewegt sich anhand von Fragen der Modernisierung, Verschlankung, Effizienz, Bevölkerungskontrolle und Zukunftstechnologien. Utopische Ideen wurden durch ein technokratisches Naturmanagement abgelöst. Die Nachhaltigkeitsdebatte zeichnet sich dabei durch die Ausklammerung der Herrschaftsdimension aus, die ökologischen Verhältnisse sind von den Herrschaftsverhältnissen (z.B. zwischen “Norden” und “Süden”) abgespalten.

“Sustainable Propaganda” (solo show), Künstlerhaus Bethanien, Berlin, 2000

In einer gigantischen Selbstinszenierung kapitalistischer Macht soll auf der Expo 2000 die Zukunftsfähigkeit dieses Systems unter Beweis gestellt werden. Erstmals in der Geschichte der Weltausstellungen ist dabei der zentrale Ausstellungsbereich in Hannover nicht die alleinige Präsentations-Plattform, sogenannte “weltweite Projekte” sollen in unterschiedlichen Städten und Ländern Lösungen für ökologische und ökonomische Probleme zeigen.
Die Expo bietet sich daher als symbolisches Kampffeld an, andere gesellschaftliche Entwicklungen und Entwürfe sichtbar zu machen.

“Sustainable Propaganda” (solo show), Künstlerhaus Bethanien, Berlin, 2000

Im Projekt “Nachhaltige Propaganda” werden in den Expo-Themenparks zur Schau gestellte Ideologien analysiert und alternative Denk- und Handlungsmodelle zur Diskussion gestellt. Die “nachhaltigen Zukunftsentwürfe” werden dabei als Herrschaftsstrategien offengelegt. Das Projekt schließt in diesem Punkt an das von mir 1996 im Salzburger Kunstverein realisierte Projekt “100 Jahre Treibhauseffekt” an.

“Sustainable Propaganda”, digital print, 2000

Das Projekt “Nachhaltige Propaganda” besteht aus unterschiedlichen Elementen:

Am Computer hergestellte Visualisierungsmaterialien der Disney-artigen Inszenierungen in den Themenparks bilden das Ausgangsmaterial einer Serie von Digitalprints. Die Expo-Zukunftsentwürfe sind von einer Vielzahl von Kommentaren überlagert, denen Versatzstücke aus linken Analysen der hegemonialen Nachhaltigkeitsvorstellungen zugrunde liegen. Die Kommentare sind in der Printserie als Dialogboxen gestaltet, die Computerbenützer_innen über Probleme informieren. Im Projekt “Nachhaltige Propaganda” verweisen diese “Fehlermeldungen” auf die (inhaltliche) Fehlprogrammierung der Expo 2000 und die dem Nachhaltigkeitskonzept inhärenten Systemfehler.

Im Video “Nachhaltige Propaganda” werden die Entwürfe für einen ökologisch nachhaltig reformierten Globalkapitalismus in weiteren Facetten kritisiert. Jörg Bergstedt (Autor des Buches “Agenda, Expo, Sponsoring”, 1998), Sonya Schneider, Kai Kaschinski von der Zeitschrift Alaska und mamba – Arbeitsgruppe feministische Expo-Kritik stellen in für das Video aufgenommenen Gesprächen ihre Kritikpunkte vor. Im zweiten Teil des Videos erläutert Christoph Spehr (Autor des Buches “Die Ökofalle – Nachhaltigkeit und Krise”, 1996) ein alternatives Entwicklungskonzept, das in den 1990er Jahren in BUKO-Zusammenhängen unter dem Motto “Abwicklung des Nordens!” diskutiert wurde und im Video den Zukunftsszenarien der Expo-Planer_innen entgegengesetzt wird.

“Sustainable Propaganda”, video still, 2000
“Sustainable Propaganda” (solo show), Kunstbüro 1060, Vienna, 2000
“Sustainable Propaganda” (solo show), Kunstbüro 1060, Vienna, 2000
“Sustainable Propaganda” (solo show), Kunstbüro 1060, Vienna, 2000

Das Ausstellungssetting wird durch Schlagworte aus der Debatte um “sustainable development” ergänzt, die in der Installation über einen grünen Anstrich (“green wash”) gesetzt sind.
“Nachhaltige Propaganda” ist kein Expo-Projekt!

“Sustainable Propaganda”, book cover