Ein Forschungsvorhaben von Oliver Ressler
Einzelausstellungen:
Camera Austria, Graz (AT), 04.09. – 21.11.2021
Museum of Contemporary Art Zagreb (HR), 30.11.2021 – 06.01.2022
n.b.k. – Neuer Berliner Kunstverein, Berlin (DE), 04.06. – 31.07.20222
Tallinn Art Hall, Tallinn (EE), 27.08. – 06.11.2022
LABoral Centro de Arte y Creación Industrial, Gijón (ES), 28.01. – 09.09.2023
The Showroom, London (UK), 18.04. – 24.06.2023

Barricading the Ice Sheets untersucht die Klimakrise, die Klimagerechtigkeitsbewegung und ihr Verhältnis zur Kunst. Im Rahmen des Forschungsvorhabens werden Filme, Fotoarbeiten, eine Konferenz, Publikationen und eine Reihe von Einzelausstellungen realisiert.
25 Jahre gescheiterte Klimaverhandlungen im Rahmen der Vereinten Nationen haben die globalen Kohlendioxidemissionen nicht reduziert. Daher steigt die Temperatur global weiter an. Diese rücksichtslose Untätigkeit seitens der Nationalstaaten hat dazu geführt, dass Menschen sich nicht auf ihre Repräsentant_innen verlassen, sondern selbst handeln. Horizontal organisierte Klimabewegungen sind auf der ganzen Welt entstanden. Höflicher Protest gehört der Vergangenheit an: die Bewegung hat Förderstellen und Transportwege für fossile Brennstoffe blockiert, gegen Flughafenausbauten mobilisiert, erfolgreich Divestment-Kampagnen durchgeführt und Bohrungen in der Arktis gestoppt. Diese Maßnahmen untergraben weltweit wirtschaftlich die fossile Brennstoffindustrie.
Viele sehen individuelle Verhaltensänderung noch immer als Lösung der Klimakrise an. Doch so bewundernswert es ist, auf Flüge zu verzichten, Gemüse statt Fleisch zu essen oder Solarpanele am Dach zu haben, sind private Gesten nicht geeignet, den epochalen Klimavandalismus weltweiten zu stoppen. Das Leben auf unserem Planeten ist mehr als nur Konsumverhalten. Unsere Kräfte sowie unsere Verantwortungen als Bewohner_innen der Erde sind kollektiv und sozial, nicht privat und persönlich. Mächtige Strukturen, nicht persönliche Entscheidungen zwingen uns zu einem Leben, das Lebensgrundlagen zerstört, Leben entwertet und schließlich unser eigenes Überleben gefährdet. Wir, die unter diesen Strukturen leiden, sind kollektiv in sie verwickelt, weshalb sie durch unser kollektives Handeln verändert werden müssen.
Der Titel Barricading the Ice Sheets bezieht sich auf das Ausmaß des Notstands, mit dem die Bewegung für Klimagerechtigkeit konfrontiert ist, und auf den Umfang ihrer geplanten Aktivitäten. Es ist physikalisch unmöglich, Eisplatten durch Barrikaden vom Schmelzen abzuhalten, aber die Bewegung versucht auch etwas nie Dagewesenes, da der Planet noch nie in der bekannten Menschheitsgeschichte einer so absoluten Bedrohung ausgesetzt war. Wenn das arktische Eis schmilzt, steigt der Meeresspiegel überall, Inseln und Städte versinken, die weltweite Ausbeutung von Landwirtschaft und Fischerei schlingert aus dem gewohnten Ablauf.
Barricading the Ice Sheets zeichnet beispielhaft Mobilisierungen, Aktivitäten, Versammlungen und Arbeitstreffen der Klimabewegungen auf. Es gibt aber keine „neutrale“ Position, aus der eine soziale Bewegung nur dokumentiert werden kann. Jede Entscheidung, wie und was aufgenommen und was weggelassen wird und ob Reden der Aktivist_innen einbezogen werden oder nicht, muss als gleichzeitig bedingt von und konstitutiv für die Beziehung zu dieser Bewegung begriffen werden.
Daher wird die künstlerische Produktion, die aus dieser Forschung entsteht, sowohl Material beinhalten, das momentan als direkt „dokumentarisch“ gesehen werden kann, als auch andere Elemente, bei denen das „künstlerische“ Engagement offensichtlicher ist. Eine fortwährende Betrachtung des Werks zeigt jedoch, dass jede künstliche Grenze zwischen „Dokument“ und „Kunstwerk“ systematisch verwischt wird.

history was emitted in just the last three decades”, Digital print on dibond, framed,
102,36 x 73,57 cm, 2020
Beispiele für im Rahmen von Barricading the Ice Sheets realisierte oder geplante Arbeiten sind:
Der Film “Not Sinking, Swarming” (4K, 37 Min., AT 2020), der seinen Ursprung in einer vierstündigen Versammlung in Madrid im Oktober 2019 hat, in der sich Delegierte von unterschiedlichen spanischen Umweltgruppen versammelten, um eine Aktion des zivilen Ungehorsams zu planen.
Am 28. und 29. Februar 2020 fand an der Projektforschungseinrichtung Camera Austria in Graz die Konferenz Barricading the Ice Sheets statt. Bei dieser Konferenz kamen fünf international anerkannte Protagonist_innen der Klimabewegung, die sowohl künstlerisch, als auch aktivistisch tätig sind, zusammen. Sie diskutierten die Methoden und Ziele sowie die Vergangenheit und die Zukunft der Bewegung. Die Konferenz wurde durchgängig dokumentiert und kann gestreamt werden.
Das Zusammentreffen dieser fünf Künstler_innen-Aktivist_innen wurde auch für eine zusätzliche Filmproduktion über die Rolle von Künstler_innen in der Klimabewegung genutzt; die Filme werden bald fertig gestellt.
Ein Buch entstand bereits unter der Ägide des Projekts. Es kann hier bestellt werden:
“Barricading the Ice Sheets. Artists and Climate Action in the Age of Irreversible Decision”, Oliver Ressler (Ed.), Graz: Edition Camera Austria, 2020

102,36 x 80,69 cm, 2019 (Visualisierung: estudio elgozo)
Forschungsassistentin: Lisbeth Kovacic
“Barricading the Ice Sheets” ist ein Forschungsvorhaben von Oliver Ressler, finanziert vom Österreichischen Wissenschaftsfonds (FWF: AR 526).
